Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen

Gesetzessammlung für das Königreich Sachsen
Vom Jahre 1820
S. 7-8

Verordnung der Landesregierung,
die Errichtung von Wegweisern und Ortstafeln betreffend,
vom 29 sten Januar 1820.
Von GOTTES Gnaden, Friedrich August, König von Sachsen etc.

Liebe getreue.
Da WIR für zuträglich erachten, zur Erleichterung des Verkehrs der Reisenden in Unseren Landen, da, wo es nöthig erscheint, Wegweiser, ingleichen durchgehends Ortstafeln, errichten zu lassen; so verordnen WIR hierunter Folgendes:
Es sind

1.)

An allen Kreuzwegen, oder wo sonst Land-, Post-, und Commercialstraßen, auch Communicationswege, Dorf- und Nachbarwege, sich voneinander trennen, - (inmaßen solches auf bloße Feldwege nicht zu erstrecken ist) – Armsäulen und Wegweiser aufzustellen.

2.)

Auf  besagten Wegweisern ist, außer dem nächsten Orte, nach Beschaffenheit der Umstände, auch die nächste Stadt, auf welcher der bezeichnete Weg hinführet, mit Angabe der Entfernung, jedoch ohne daß dieß eine Vermessung voraussetze, zu bemerken.

3.)

Bei der Errichtung dieser Wegsäulen ist mit möglichster Ersparung der Kosten zu verfahren, zu den ungefähr 4 Ellen hohen und 8 bis 10 Zolle im Durchmesser starken Säulen Fichten- oder Kiefernholz zu gebrauchen, und zum Anstrich derselben allenfalls auch Wasser- oder Leimfarbe anzuwenden.

4.)

Die Kosten der Aufrichtung sowohl, als der Unterhalt, liegen den Gerichtsobrigkeiten, und wenn die Säulen auf der Unterthanen Grund und Boden zu stehen kommen, unter Mitleidenheit derselben, ob;, wie solches bereits in Ansehung der steinernen Post und Meilensäulen Verfassung ist.

5.)

Hiernächst ist 
Am Eingange oder am ersten Haus jedes Dorfes der Name des Orts auf einer hölzernen Tafel zur Kenntniß der Reisenden zu bringen. Die zur Anschaffung dieser Tafeln erforderlichen Kosten sind von den Ortsgemeinden zu tragen.

6.)

Die Direction und Handhabung dieser Angelegenheit steht, unter der verfassungsmäßigen Oberaufsicht der Kreishauptleute, den Amtshauptleuten zu, denen insonderheit auch bei den unmittelbaren Amtsortschaften die Auswahl der Plätze, auf welchen Armsäulen zu errichten sind, und die sonst hierunter nöthigen Veranstaltungen überlassen bleiben; wogegen bei den mittelbaren Ortschaften jene Auswahl den Gerichtsobrigkeiten zu überlassen ist.

Daran geschieht Unsere Meinung. Dresden, am 29sten Januar 1820


                                    Freiherr von Werthern


Anmerkungen und Kommentare:

Maßangaben (3.): 4 Ellen (je 56,64 cm) entsprechen ca. 2,25 m, 8 – 10 Zoll (je 2,36 cm)
entsprechen 19 – 24 cm

Begrifflichkeiten: Verwaltungsinstanzen: Schriftsassen – mittelbare Amtsortschaften, Amtssassen –
unmittelbare Amtsortschaften

dazu in die „Deutsche Geschichte im Spiegel der Sächsischen Schweiz“, Meiche, Alfred, 1924, Zitat:

„Die Vasallen der alten Herrschergeschlechter saßen weiter auf den Rittergütern oder Höfen und geboten in den ihnen untertänigen Dörfern. Sie hießen Schriftsassen, denn sie bekamen die fürstlichen Befehle direkt aus der landesherrschaftlichen Kanzlei, mit der sie überhaupt schriftlichen Verkehr unterhielten. Diejenigen Ortschaften und Güter aber, die dem Fürsten selbst unterstanden, hießen Amtssassen. Ihnen vermittelte der betreffende Amtsschösser (Amtshauptmann) alle Befehle, die wiederum die Erbrichter in den Dörfern verkündeten.“

Die Verordnung schreibt die Setzung von Wegesäulen an allen Kreuzungen und Abzweigungen, ausgenommen die einfachen Feldwege, vor. In welchem Umfange diese Festlegung zeitgerecht umgesetzt wurde, ist leider nicht mehr bekannt. Wir verzeichnen in verschiedenen Regionen des Bestandsgebietes eine hohe Konzentration (Sächsische Schweiz, Landkreis Bautzen, Landkreis Meißen) und wiederum in anderen Regionen ein geringeres Auftreten von historischen Wegesäulen (Erzgebirgskreis, Stadt Chemnitz, Stadt Leipzig). Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass die denkmalerhaltende Aufmerksamkeit in letzteren Gebieten weniger ausgeprägt war. Die Säulen hatten ihren inhaltlichen Zweck verloren und wurden oftmals abgebrochen, zerschlagen oder einem weiteren Handlungszweck zugeführt (Zaunsäulen, Baustoffverwendung, Schotter dgl.)

Die Verordnung schreibt eine Verwendung von Holz (Fichte, Kiefer) für die Säulen vor. Es erwies sich, dass diese hölzernen Säulen keinen dauerhaften Bestand haben und aus dem Grund wurden ab etwa 1830 steinerne Säulen gesetzt. Dieser Materialanpassung haben wir unter anderem auch den vorliegenden Bestand an Wegesäulen zu verdanken.

Die Form und Gestaltung der Wegesäulen war nicht detailliert vorgeschrieben, deshalb sind heute noch unterschiedliche und sehr differenziert ausgeführte Säulenkörper festzustellen. In der Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge finden wir vordergründig Sandsteinsäulen unterschiedlicher Darstellungsweise, in den  Landkreisen Bautzen und Görlitz bestehen diese aus Granit. Hier werden die Säulen auch häufig mit grüner Farbe abgesetzt (Körperphasen und Säulenkopf).

Die Formen der Säulenkörper waren ebenfalls nicht einheitlich. Wir finden heute noch vorrangig quadratische Säulen oder auch im Querschnitt rechteckige. Wir finden Rundsäulen und die Ausgestaltung der Säulenformen ist weiterhin ein sich unterscheidendes Merkmal.

Die Inschriften der Säulen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt und sicher auch den jeweiligen Entstehungszeiten der Wegesäulen geschuldet. Man findet Säulen mit Ortsbezeichnungen (historische deutsche Schriftzeichen) und Entfernungsangaben (in Stunden, Meilen oder Kilometer) und an vielen Säulen sind Richtungspfeile (frühe Formen als Hände sichtbar, später unterschiedliche Pfeilformen) eingearbeitet. Einige Säulen sind zwar mit Schriftspiegeln ausgestattet, aber die Inschriften sind verloren gegangen. In den Datenblättern zu den Säulen werden diese Besonderheiten entsprechend ausgewiesen.

Zu vermerken ist auch, dass eine ganze Reihe dieser historischen Wegesäulen in den Denkmallisten der Landkreise/ Städte Eingang gefunden haben. Eine ganze Reihe dieser Säulen aber nicht. Hier erwarten wir eine konkrete Positionierung der sächsischen Denkmalpflege und eine Unterstützung bei der Registrierung dieser Verkehrsweiser aus den vergangenen Jahrhunderten. Immerhin ist es Teil unserer Geschichte und verlangt, dass wir eine Erhaltung dieser Kleindenkmale verantwortlich anstreben.

Die Verordnung zur Errichtung der Wegesäulen und Ortstafeln galt von 1820 bis 1934 und war eine Maßnahme, die zwischen der Errichtung der kursächsischen Postmeilensäulen (1721) und den königlich-sächsischen Meilensteinen (1858) einzuordnen ist.

charakteristische Merkmale zur Identifizierung von STEINMÄLERN als
historische Wege- oder Wegweisersäulen:

  • Steinsäulen mit überwiegend quadratischem Querschnitt (auch Rundsäulen möglich, dreieckiger, trapezförmiger Querschnitt ebenfalls möglich)
  • Säulenhöhe ca. 150 … 200 cm (teilweise eingesunken oder durch Beschädigung gekürzt
  • Standorte vorwiegend an Kreuzungen und Abzweigungen (heute können die Wegführungen unbedeutend sein durch Änderungen der Verkehrsführung, auch Standorte von Säulen ohne Abzweigung der Verkehrs-führung bekannt)
  • Vorhandensein von erkennbaren Schriftspiegeln mit und ohne Inschriften (Verlust durch Verwitterung, und/oder Beschädigung, Übermalung dgl.)
  • Inschriften – Ortsnamen, Entfernungen in Stunden und/oder km, Richtungspfeile, Richtungs„hände“, teilweise Namen der Kommune („Comun“) und/oder Aufstellungsjahr, Jahr der Restaurierung
  • farbige Ausmalung der Säule möglich, überwiegend weiß – Hintergrund Schriftspiegel, Inschriften schwarz (graviert, ausgehauen und farbig ausgelegt oder aufgemalt), teilweise die Säule insgesamt grün abgesetzt (besonders in den LK Bautzen und Görlitz – Spitze, Umrandung der Schriftspiegel und Phasen der Säulenkörper)

Manche Säulen wurden auch an andere Standorte aus unterschiedlichen Gründen versetzt und müssen mit ihren Inschriften jeweils auf die Authentizität ihrer Kennzeichnungen geprüft werden.